Wer gibt eigentlich das Ziel vor, nach dem ein ambulantes Rehateam arbeitet? Wer sind die Experten? Was ist der Auftrag, nach dem gearbeitet wird und wer erteilt diesen?
Im Mittelpunkt steht die Patientin oder der Patient, die / der auch das Ziel bzw. den Auftrag an das Team gibt. Ein Weg, diesen Auftrag zu bekommen, sind interdisziplinäre Besprechungen gemeinsam mit der Patientin oder dem Patienten und den Angehörigen.
Interdisziplinarität ist dann gegeben, wenn ALLE an einem gemeinsamen Ziel arbeiten.
Die gemeinsame Besprechung mit der Patientin oder dem Patienten und ggf. den Angehörigen bietet mehrere Vorteile. Die Patientinnen und Patienten müssen ihre Geschichte nur ein Mal erzählen. Alle behandelnden Personen kennen dieselbe Version. Bestenfalls weiß die Patientin oder der Patient, was sie / er sich von der Therapie erwartet und formuliert selbst ein Ziel. Wenn das nicht möglich ist, dann wird gemeinsam ein Ziel erarbeitet.
Wenn die Patientin oder der Patient selbst das messbare Ziel formuliert und dort auch wirklich hin will, dann ist der wichtigste Schritt getan: Die Patientin oder der Patient sitzt mit im Boot.
Die große Herausforderung ist die bewusste Gesprächsführung. Es kommt im ganzen Team zu einem Umdenken in den Fragetechniken. So stehen hinter dem Ziel der Patientin oder des Patienten „Ich möchte wieder gesund werden“ Gegenfragen wie, „Was heißt gesund sein für Sie?“, „Was haben Sie (gerne) gemacht, als Sie gesund waren?“, „Was würden Sie als erstes machen, wenn Sie wieder gesund wären?“.
Ein ebenfalls oft genanntes Ziel ist: „Es soll alles wieder so werden wie früher“. Gegenfragen dafür sind zum Beispiel: Wie sah so ein typischer Tag / Vormittag bei Ihnen aus?“, „Sie haben gesagt, dass das Sprechen wieder richtig funktionieren soll. In welcher Situation ist es Ihnen zurzeit am Wichtigsten, wieder flüssig sprechen zu können?“
Bei der Zielformulierung werden drei unterschiedliche Arten von Zielen unterschieden. Das langfristige Ziel, das auf Jahre ausgelegt sein kann, ist das Teilhabeziel. Es dient als Motivationsfaktor. Oftmals ist es ein Lebenswunsch und meist unrealistisch.
Dieses Ziel wird dann gemeinsam auf ein Aktivitätsziel heruntergebrochen. Das Aktivitätsziel holt die Patientin oder den Patienten dort ab, wo er / sie tatsächlich steht und verhilft ihm / ihr in kleinen Erfolgen zum Teilhabeziel.
Angenommen, eine Patientin oder ein Patient gibt an, wieder auf den Pfänder gehen zu wollen und kann in seiner aktuellen Situation gerade quer im Bett sitzen, aber nicht stehen. So kann das Ziel mit dem Pfänder stehen bleiben und das Aktivitätsziel könnte lauten: Freies Stehen mindestens zwei Minuten. Je nach Fähigkeiten der Patientin oder des Patienten wird so vom Teilhabeziel ein messbares und vor allem für die Patientin oder des Patienten relevantes und realistisches Aktivitätsziel abgeleitet.
Aus dem Aktivitätsziel ergeben sich dann die benötigten Fachbereiche und die jeweiligen Funktionsziele. Funktionsziele werden mit den jeweiligen Fachtherapeutinnen und Fachtherapeuten definiert und könnten sich im obigen Fall auf Kraft, Ausdauer, Wahrnehmung, Aufmerksamkeit und Ähnliches beziehen. Sie müssen ebenfalls messbar sein.
Durch diesen kommunikativen Prozess, der sich im Rahmen des interdisziplinären Settings automatisch ergibt, sind auch die Patientin oder der Patient gezwungen, sich umzustellen. Sie müssen nun plötzlich selbst ein Stück weit Verantwortung für die Fortschritte in der Rehabilitation übernehmen.